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Betrifft die Einrichtungen:

Interdisziplinäre Frühförderung in M-V noch immer auf Abstellgleis

PRESSEMITTEILUNG

Nach fünf Verhandlungsjahren zur Landesrahmenvereinbarung ist noch immer kein Ende in Sicht.

Von der Geburt bis zum Schuleintritt – in diesem Lebensabschnitt besteht für Kinder mit Behinderung oder Entwicklungsverzögerung nach Bundesgesetz ein Rechtsanspruch auf interdisziplinäre Frühförderung. Fast ebenso lange ziehen sich allerdings auch schon die Verhandlungen einer landesrechtlichen Grundlage für diesen Anspruch auf die sogenannte Komplexleistung Frühförderung hin. 

Eigentlich waren sich die Verhandlungspartner im September 2020 einig über die landesweiten Rahmenbedingungen. Allerdings wurde das Unterschriftenverfahren erst ein gutes Jahr später vom Ministerium für Soziales, Gesundheit und Sport eingeleitet und dieses ist bis heute nicht abgeschlossen. „Bestehende Interdisziplinäre Frühförderstellen brauchen dringend bessere Bedingungen und andere können nicht beginnen, weil die Rechtsgrundlage unsicher ist,“ so Frau Timmermann, Geschäftsführerin des Kinderzentrum Mecklenburg.

Für sie ist die Grenze des Aushaltbaren überschritten. „Das ständige Vertrösten und Hinhalten muss aufhören. Gleiches gilt für Kostensatzverhandlungen zu Dumpingpreisen bei akutem Fachkräftemangel,“ sagt Timmermann. Sollte keine Bewegung in das Unterschriftenverfahren kommen, sieht sie das Land in der Pflicht, die Landesrahmenvereinbarung per Rechtsverordnung in Kraft zu setzen, damit die Kinder in unserem Land endlich die ihnen zustehende Förderung erhalten. „Eine weitere Verzögerung des Verfahrens steht nicht nur im Widerspruch zum Bundesgesetz, es verstößt schlichtweg gegen Moral und Anstand, da die Leidtragenden die Kinder sind.“ 

Vorteile der Komplexleistung Frühförderung sind, dass medizinische Diagnostik und therapeutische und heilpädagogische Behandlung aus einer Hand und im Team erfolgen. Vor allem Familien in den ländlichen Regionen sind in doppelter Hinsicht benachteiligt: Sie müssen sich nicht nur selbst um die verschiedenen Termine in Arztpraxen, für therapeutische Behandlung und Frühförderung kümmern und diese koordinieren, darüber hinaus müssen sie für die in der Fläche oft entfernt liegenden Angebote auch noch weite Anfahrtswege mehrmals pro Woche zurücklegen. „Was diesen Familien seit Jahren in ihren ohnehin belasteten Situationen zugemutet wird, ist nicht länger akzeptabel. Denn, wie bundesrechtlich vorgeschrieben, wurde bereits eine Landesrahmenvereinbarung verhandelt und geeint, es fehlen nur noch die Unterschriften,“ erklärt Frau Timmermann.

Welche Effekte die Frühförderung hat, macht das Beispiel einer Rostocker Familie deutlich. Bei ihrem Sohn wurden bereits im ersten Lebensjahr markante Entwicklungsverzögerungen festgestellt, im Kindergartenalter wurde in einem ausführlichen Diagnoseverfahren der Autismusambulanz frühkindlicher Autismus diagnostiziert. Für die Eltern bedeutet dies seit Jahren, Termine für heilpädagogische Förderung, Ergo-, Logo- und Physiotherapie einzuhalten. Hinzu kommen zahlreiche Termine auf Ämtern für die Anerkennung des Grads der Behinderung, die Beantragung der Pflegestufe und vieles mehr. Im Gespräch äußert die Mutter sich unglaublich erleichtert über das Angebot der Komplexleistung. „Neben der Beratung und Unterstützung, die ich dort erfahren habe, nimmt die Bündelung der Angebote an zentraler Stelle inklusive ambulanter Förderung viel Druck aus dem Familienalltag. Obwohl ich nicht fachfremd bin, könnte ich niemals leisten, was die Frühförderinnen mit unglaublicher Wärme und Geduld, vor allem aber ihrem umfangreichen Fachwissen für meinen Sohn ermöglicht haben.“

Vertragsrechtliche Grundlagen der Interdisziplinären Frühförderung
Die Ausgestaltung der Leistungen zur Frühförderung findet auf Landesebene durch Landesrahmenvereinbarungen zwischen den beteiligten Rehabilitationsträgern und den Verbänden der Leistungserbringer, durch Verwaltungsvereinbarungen und ersatzweise durch Rechtsverordnungen statt (§ 46 Abs. 4-6 SGB IX). Dadurch soll u.a. eine höhere Verbindlichkeit und Sicherheit bei der Erbringung der Komplexleistung Frühförderung für alle Akteure erreicht werden (BT-Drs. 18/9522: 252). Im Gegensatz zu den Landesrahmenverträgen und Vereinbarungen des Vertragsrechts der Eingliederungshilfe sind bei den Landesrahmenvereinbarungen zur Frühförderung nach § 46 SGB IX auch weitere Reha-Träger, wie insbesondere die gesetzlichen Krankenkassen, beteiligt.


Die Kinderzentrum Mecklenburg gGmbH ist eine überregionale Einrichtung im Netz der Hilfsangebote für Kinder mit Behinderungen, Entwicklungsauffälligkeiten und -verzögerungen. Unter dem Dach des Kinderzentrums gibt es das Sozialpädiatrische Zentrum Mecklenburg, die Interdisziplinäre Frühförder- und Beratungsstelle FIBs – Familien in Begleitung, die Pro-Fil Kindernachsorge als sozialmedizinische Nachsorge, die Handwerks-Kita „Alles im Lot“, sowie das Sozialmedizinische Erwachsenen-Zentrum Mecklenburg (SEZ) als Medizinisches Behandlungszentrum für Erwachsene mit Behinderung (MZEB).

Pressekontakt
Nicole Köhnke
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E-Mail: n.koehnke(at)kinderzentrum-mecklenburg.de